Die Vorfahren und älteren Angehörigen der Leeraner Sinti-Familien kamen 1945 aus den befreiten Konzentrationslagern in die Stadt Leer.
Unter schwierigen Bedingungen versuchte man in der Nachkriegszeit wieder eine Bleibe zu finden und aufzubauen.
Auf einem Freigelände, dem heutigen Standort der ehemaligen Olympia-Werke konnten die überlebenden Sinti in Leer einen Neuanfang wagen.
Bemerkenswert ist hier, dass die Stadt Leer offensichtlich mehrere Familien anzog. Auch heute noch ist die Stadt Leer eine der Kommunen in Niedersachsen mit dem größten prozentualen Anteil von Mitgliedern der Ethnie der Sinti bezogen auf die Gesamteinwohnerschaft.
Zu Beginn lebten die Sinti in Leer in eigens angeschafften Wohnwagen oder notdürftigen Baracken.
Im Jahre 1952 wurde das bisherige Gelände für industrielle Vorhaben benötigt und man „verschob“ die Bewohner in den Ostteil der Stadt an den Rand einer alten Müllkippe in den Königskamp.
Ende der 1960er Jahre verwies man die Sinti in ausgediente Eisenbahnwaggons auf dem jetzigen Gelände der Schrotthandlung Evert Heeren und schließlich in eine barackenartige „Flachbautensiedlung“ am Heerenborgsweg.
Viele Leeraner Sinti erinnern sich noch heute an diese Zeit.
In den 1980er Jahren begannen bereits einige Familien eigene Wohnungen oder Häuser verteilt im Stadtgebiet zu beziehen.
Letztendlich auch in den „Schlichtbauten“, verteilt auf den Heerenborgsweg und das „Weiße Haus“, wurden die Sinti regelrecht an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Einen Umzug in andere Stadtviertel wurde ihnen verwehrt und viele Familien mussten mühsam ein würdevolles Wohnen erkämpfen.
Zu dieser Zeit wurden zum Beispiel in der Stadt Leer Unterschriftensammlungen der Mehrheitsgesellschaft durchgeführt, um Familien der Sinti den Zugang zu Wohnungen in den Stadtvierteln zu verwehren.
Sich dieser Missstände täglich vor Augen gründeten Vertreter der Sinti am 09.12.1980 den Verband deutscher Sinti in Wilhelmshaven und schafften damit auch die Grundlage für den heutigen Landesverband in Hannover.
Dieser Verband veröffentlichte bereits schon in den 1970er Jahren in Zusammenarbeit mit der AWO Leer die Probleme der Sinti in Leer.
Der verwehrte Zugang zu Bildung, die Ausgrenzung bei der Suche nach Wohnraum und die vorherrschende Diskriminierung im Alltag waren nur einige Themen dieser ersten Vertreter der Leeraner Sinti.
In den Jahren 1981 und 1982 konnten wir erleben, wie dieser Verband und insbesondere sein Vorstand in vielen Gesprächen mit der Stadt Leer einige Verbesserungen erzielen konnte. Sicherlich spielen hier auch die damalige politische Lage in Deutschland sowie die Äußerungen unseres damaligen Kanzlers Helmut Schmidt eine große Rolle.
Sinti wurden nun endlich als im III. Reich verfolgte Ethnie anerkannt. Entschädigungen wurden zuerkannt und die Leeraner Sinti wurden vermehrt in Sport und Kultur wahrgenommen.
Auch der wachsende städtische Wohnungsmarkt erlaubte nun die Auflösung der Siedlungen am Stadtrand, in die man vor 20 Jahren die Sinti umgesiedelt hatte.
Heute leben die Leeraner Sinti im ganzen Stadtgebiet verteilt in Wohnungen oder Einfamilienhäusern und sind ein alteingesessener Teil unserer Stadtbevölkerung geworden.